Sprachliche Bilder in stürmischen Zeiten

Journalisten gehen in der Regel sehr kreativ mit der Sprache um. Dennoch gibt es in den Zeitungen mitunter ziemlich trockene Texte und abgegriffene Klischees. Ein bekannter Medienexperte plädierte deshalb in Focus Online (28.02.20) für einen ´kreativeren Journalismus`. Seine Forderung: “Emotionen ansprechen… wieder hin zu einer metaphorischen Sprache… starke Bilder nutzen.“

Ritter von Gerhard Gellinger auf Pixabay (Ausschnitt)

Englischsprachige Medien – The Washington Post, Huffington Post (beide online), The Herald Tribune, The Times und The New Yorker – wie auch deutsche Quellen – Der Spiegel und die Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) – zeigen aber, dass viele Journalisten eigentlich solchen Rat gar nicht brauchen. Im Gegenteil, die Jagd auf reißerische Überschriften und Sensationsmeldungen erzeugt in den Printmedien und Online eine regelrechte „Bilderflut“. Die folgenden Beispiele bildhafter Sprache folgen keinem linguistischen Ordnungsprinzip. Sie spiegeln wider, was uns alle in den letzten Jahren in der Politik besonders bewegt und zum Teil auch abgestoßen hat – der Brexit, die Parteikontroversen in Großbritannien, den USA und Deutschland sowie das Erscheinungsbild von Politikerpersönlichkeiten.

Der Begriff der metaphorischen Sprache umfasst hier den direkten und leicht verständlichen Vergleich, wie auch den indirekten, implizierten Vergleich, dessen Bezug nur mit dem entsprechenden Hintergrundwissen zu verstehen ist. Wenn man im Fernsehen die unterhaltsamen Debatten im britischen Unterhaus zum Brexit gesehen hat oder die Äußerungen US-amerikanischer Politiker verfolgt, wird der häufig gebrauchte Ausdruck blame game (gegenseitige Schuldzuweisungen) deutlich. Dem Spiel mit lauteren und unlauteren Mitteln tragen die Pressevertreter aller obengenannten Zeitungen Rechnung, indem sie es sozusagen „verbal dekorieren“. Die an den Brexit-Debatten beteiligten Politiker locked horns with each other (Jagdjargon), were bullying (fertigmachen) den jeweiligen Opponenten und were misbehaving on the touchline (beim Fußballspiel die Seitenauslinie missachten). Aggressive Wortmeldungen zu Fragen der Erziehung, zu Abtreibung und Mindestlöhnen benutzten dabei z.B. den Begriff kitchen table issues, was den Sprecher des Unterhauses, John Bercow, in Rage brachte. Er agierte at full blast (wie das fauchende Feuer eines Hochofens). Dennoch gab es woof-woofing at a female M.P. (woof = lautmalend, Hundegebell), was wiederum einige weibliche Abgeordnete zu bicep kissing strategies anspornte, zu betont aggressiv männlichem Auftreten. Bei diesen war games gab es insbesondere wenig schmeichelhafte Äußerungen über die Premierministerin Theresa May: „Theresa May is as wooden as our average coffee table“. Für den ihr nachfolgenden Premier Johnson und seine engsten Mitarbeiter befand ein Journalist, sie seien a pack of pompous pricks

Wenn auch der letztgenannte Vergleich sehr derb ist, verglichen mit dem Sprachgebrauch im snake pit, der Schlangengrube Washington, erschienen für den deutschen Beobachter die Äußerungen der britischen Abgeordneten, wie auch die Berichterstattung über den Brexit, zivilisiert und höflich, zumindest in den zitierten quality newspapers. Beleidigungen oder falsche Behauptungen sind hingegen im Jargon amerikanischer Politiker und ihres Oberbefehlshabers offenbar weit verbreitet. Die berichtenden Journalisten zitieren in der Regel deren arshole speech (The Times) genüsslich und erweitern sie um pikante Einzelheiten. Dabei ist der sportliche oder der militärische Bezug besonders häufig. Der amerikanische Präsident „is not merely a counterpuncher“ (The New Yorker, 19.02.19), er benutzt bare-knuckle tactics, bevorzugt kneecapping opponents und ist generell immer im Angriffsmodus, in trench warfare, was in seinen scattershot tweets zum Ausdruck kommt. Sein folgsamer Aussenminister Pompei wird dabei drastisch beschrieben als heatseeking missile und als self-licking ice cream cone (Speichellecker). Im Internet bezeichnet man dies als verbale Maschinengewehrattacken, die aber auch im deutschen Sprachgebrauch überaus häufig sind – Wahlschlacht, jemandem Feuer geben, eine Attacke reiten… – jedem von uns fallen sofort ´kriegerische´ Beispiele ein. Mitunter schießen martialische Äußerungen über ihr Ziel hinaus und erzeugen unerwünschte Heiterkeit. So sagte z.B. Alexander Gauland, AfD, in der Debatte zu den Verbalausfällen eines unrühmlich bekannten Parteifreundes: „Aber, liebe Freunde, wenn die Granaten einschlagen, steht man zusammen“ (PNN 30.01.17) – eine ungünstige Position auf dem Schlachtfeld!

Es ist bekannt, dass „bei Trump´s Online-Zuhause der Waffengang der Wörter herrscht“ (Internet-Kommentar). Seine Gegenspielerin, Nancy Pelosi, Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus, zeichnet sich jedoch mehr durch sprachliche Schärfe denn durch primitive Vergleiche aus. Von einem ihrer Rededuelle mit einem republikanischen Abgeordneten wird berichtet: „She diced and sliced and roasted him, and spit him out.“ (The New Yorker, 19.08.19) Der amüsante Küchenjargon könnte verkürzt mit unserem deutschen Wort zerlegen wiedergegeben werden, klingt aber nicht annähernd so bissig wie die englische erweiterte Metapher. Auch der derzeit favorisierte demokratische Präsidentschaftskandidat Biden ist um zivilisierte Kommunikation bemüht und „extends olive branches to the left“ (Versöhnungsgeste gegenüber seinem Konkurrenten Sanders und dessen Gefolgschaft). Für Trump-Anhänger aber sind moderate Politiker snowflakes oder soup sandwiches.

Man muss wohl davon ausgehen, dass nicht wenige Politiker und Journalisten sich weiterhin kaum sprachlich mäßigen werden. Die verbalen war games werden international sicher auch mehr Opfer finden, als die gegenwärtigen Sandkastenraufereien in der deutschen Politik (Kommentar Tagesanbruch T-Online 23.02.20 zu unionsinternen Kontroversen). Bildhafte Sprache, das belegen alle Printmedien, kann erkenntnisfördernd und unterhaltend, aber auch überaus gefährlich sein in der Verstärkung negativer Emotionen, zum Beispiel durch Kriegsmetaphorik. Noch gefährlicher aber ist Schweigen, wenn stattdessen Aufklärung, sprachlich wirkungsvoll, angezeigt wäre. Der metaphorische Leitspruch der Washington Post ist deshalb sehr beeindruckend – Democracy Dies in Darkness.

Gastbeitrag von Hiltrud Wedde

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