Klima in Wortwolken

Wie verständlich sind Aufrufe und Nachrichten zu Klimaaktionen?

„Fridays for Future“ ruft zu Aktionen auf: „Klimaschutz jetzt und für alle!“ Doch verstehen alle, worum es geht? Was bedeuten Begriffe wie Klimawandel, 1,5-Grad-Limit, sozial-ökologische Wende, CO2-Ausstoß und fossile Energieträger? Können solche Aufrufe auch Menschen erreichen, denen das Lesen oder die deutsche Sprache schwer fällt?

Klimastreik 29.11.19 Flyer Ausschnitt http://www.klima-streik.org/plakate-flyer

Wir haben Aufrufe und Nachrichten zu Klimaaktionen 2019 (Quellen siehe unten) auf Verständlichkeit geprüft. Aussagekräftig hierfür ist die Software TextLab, die den Hohenheimer Verständlichkeitsindex ermittelt. Auf einer Skala von 0 (gering) bis 20 (hoch) sollte ein Text möglichst den “grünen“ Bereich ab Wert 10 erreichen. Für Webtexte ist der Wert 16 anzustreben und für Einfache oder Leichte Sprache der Wert 18.

Die folgende Grafik (1) zeigt, welche Indexwerte die geprüften Aufrufe und Nachrichten erzielen. 12 der Texte sind in Standardsprache (blau) und 6 in Einfacher oder Leichter Sprache (rot) geschrieben.

Die meisten Standardtexte liegen unterhalb des „grünen“ Bereichs, sind also nicht verständlich genug. Darunter ist auch der Aufruf von Fridays for Future (Indexwert 6). Gründe hierfür sind vor allem lange und komplizierte Sätze sowie lange Wörter (siehe Beitrag „Ist die Botschaft klar?„). Die Texte aus Nachrichten in Einfacher oder Leichter Sprache hingegen erreichen hohe Indexwerte – dank einfacher kurzer Sätze und kurzer Wörter.

Was der Index allerdings nicht erfasst, ist die inhaltliche Verständlichkeit von Wörtern. Gerade in Texten zum Klima häufen sich Begriffe aus mehreren Fachbereichen (Naturkunde, Erdkunde, Politik und andere). Etliche Begriffe werden zwar bei der Textprüfung (in TextLab und/oder LanguageTool) angezeigt: als abstrakte Wörter, Anglizismen, Fremdwörter und/oder schwierige Wörter. Für unsere Analyse wollen wir aber die Begriffe zum Klima insgesamt abbilden.

Ermittelt haben wir 115 verschiedene Begriffe in Standardtexten und 36 Begriffe in Texten der Einfachen oder Leichten Sprache. Die folgende Grafik (2) zeigt die Anzahl der Begriffe zum Klima auf je 250 Wörter eines Textes. Diese Relation geht von den kürzesten Texte (mit etwa 250 Wörtern) aus. Jeder Begriff wird pro Text nur einmal gezählt. Die Texte erscheinen in der gleichen Reihenfolge wie beim Index (Grafik 1).

Wie zu erwarten, enthalten die Standardtexte mehr Begriffe als die Texte in Einfacher oder Leichter Sprache. Doch innerhalb dieser beiden Gruppen ist die Anzahl der Begriffe pro Text recht unterschiedlich. Vor allem schwankt der Anteil an Begriffen in beiden Gruppen unabhängig vom jeweiligen Index der Verständlichkeit (vergleiche Grafik 1). So kann also ein Text selbst bei hohem Indexwert durch viele Begriffe unverständlich werden.

Allerdings können einzelne Begriffe zum Klima mehr oder weniger schwierig sein. Das hängt nicht nur vom Inhalt, sondern auch von der Wortstruktur ab: mehrfach zusammengesetzte Wörter (wie Weltklimakonferenz und Klimaschutzgesetz) sind eine doppelte Hürde. Interessant ist daher, welche Begriffe vorzugsweise in Texten der Standardsprache (Gruppe A) und der Einfachen oder Leichten Sprache (Gruppe B) auftreten. Aufschlussreich sind die nachfolgenden Wortwolken. Zu sehen sind Begriffe, die in der jeweiligen Textgruppe mindestens dreimal (Gruppe A) beziehungsweise zweimal (Gruppe B) vorkommen.

Wortwolke zu Texten in Standardsprache (Gruppe A)

 

Wortwolke zu Texten in Einfacher/Leichter Sprache (Gruppe B)

Einige Hauptbegriffe tauchen in beiden Wolken auf (Klimaschutz, Fridays for Future, Klimawandel, Klimapaket). In der Einfachen oder Leichten Sprache sind die Begriffe jedoch besser lesbar: zusammengesetzte Wörter erscheinen  mit Bindestrich oder Mediopunkt. Zudem sind die verwendeten Begriffe häufig allgemeiner Art (Klima, klimaschädlich) und auf konkretes Geschehen bezogen (Klimaschützerin, CO2, Abgase, Nordpol). Die Texte der Standardsprache hingegen überbieten sich mit speziellen Begriffen vor allem zur Klimapolitik.

Wie aber können Leser Begriffe verstehen, die ihnen nicht vertraut sind? Teilweise hilft der Textzusammenhang. Vor allem aber sind Erläuterungen hilfreich. In dieser Hinsicht sind die Texte der Einfachen oder Leichten Sprache klar überlegen: Die Hälfte der auftretenden Begriffe zum Klima wird entweder im laufenden Text oder in beigefügten Wörterbüchern erklärt.

Wörterbücher werden auf Webseiten von Rundfunksendern angeboten: Deutschlandfunk mit „nachrichtenleicht“ (DFnl), Mitteldeutscher Rundfund (MDR) und Norddeutscher Rundfunk (NDR). Außerdem gibt Hurraki ein Wörterbuch für Leichte Sprache heraus (Hurraki). Die Tabelle unten zeigt, welche Begriffe aus den Texten der Einfachen oder Leichten Sprache (Gruppe B) in den Wörterbüchern erklärt werden.

Fazit

Die Aufrufe zum Klimaschutz sind zumeist schwer verständlich. Zwar kommt die hauptsächliche Botschaft rüber, doch die Texte lesen sich oft mühsam: voll komplizierter Sätze, langer Wörter und schwieriger Begriffe. Wer mit diesen Hürden nicht klar kommt, kann Nachrichten in Einfacher oder Leichter Sprache und sogar Wörterbücher dazu finden. Diese Angebote sind allerdings verstreut und noch lückenhaft. Viel wäre gewonnen, wenn es zum Klimawandel eine leicht verständliche Broschüre (auch als PDF/ Webseite) gäbe!

Sabine Manning

Quellen: 

Abbildung: Bündnis Klimastreik: Flyer und Plakate (Abruf 15.01.2020 – Ausschnitt)

Aufrufe und Nachrichten zu Klimaaktionen 2019 (Numerierung für Grafiken 1 und 2)

1 BILD: Text
2 AWO Arbeiterwohlfahrt: Text
3 Fridays for Future: Text
4 Berliner Zeitung: Text
5 Attac: Text
6 Naturfreunde: Text
7 Demeter: Text
8 Bündnis Klimastreik: Text
9 Morgenpost: Text
10 Tafel Deutschland Text
11 Die Linke: Text
12 BundJugend: Text
13 kurier: Einfache Sprache: Text1 + Text2
14 leichte news: Text
15 mdr: Nachrichten in Leichter Sprache: Text
16 nachrichtenleicht: Text1 + Text2 + Text3 + Text4 + Text5
17 ndr: Nachrichten in Leichter Sprache: Text1 + Text2
18 taz: Leichte Sprache: Text

Wortwolken: erstellt mit 60tools.com

2 Gedanken zu “Klima in Wortwolken

  1. Liebe Frau Manning,
    vielen Dank für diese aufschlussreiche Untersuchung über die Verständlichkeit von Texten zu Klimaaktionen.
    Wir vom Verbund Leichte Sprache Braunschweig haben auf unserer Homepage anhand von drei Texten zum Klimaschutz die Unterschiede zwischen Standardsprache, Einfacher und Leichter Sprache veranschaulicht. Dabei haben wir den Text in Leichter Sprache mit individuell entwickelten Piktogrammen illustriert. Weder die Texte noch die Piktogramme wurden von der Zielgruppe geprüft, stellen aber einen Ansatz zum Thema dar. Die Bebilderung ist ja neben der sprachlichen und inhaltlichen Vereinfachung ein drittes Instrument, um die Verständlichkeit von Texten zu erhöhen. Unsere Texte sind hier zu finden:
    http://www.verbund-leichte-sprache.de/ueber-sprache/
    Viele Grüsse
    Bettina Mikhail

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  2. Liebe Frau Mikhail,

    Ihr Beitrag zum Klimawandel in drei Textversionen und sogar mit Bildern ist großartig – vielen Dank für diesen Hinweis!
    Der Ausgangstext auf Ihrer Webseite ist ja voll von komplizierter Syntax und schwierigen Begriffen. Um so deutlicher zeigt Ihr Vergleich, wie Leichte Sprache und Einfache Sprache in ihrer jeweiligen Art das Lesen erleichtern. Und in diesen vereinfachten Texten wird die Botschaft zum Klimawandel für alle verständlich!

    Schöne Grüße zurück
    Sabine Manning

    PS: Zwei weitere Hinweise zu meinem Beitrag möchte ich mit vielem Dank weiterreichen:

    Prof. Andreas Baumert empfiehlt zur Klimathematik sein aktuelles Buch „Einfache Sprache in Zeiten des Wandels: Zur Notwendigkeit einer verständlichen Wissenschaft“ [Info]

    Constanze Kobell macht auf ein gutes Beispiel in den Wahlkampfunterlagen der GRÜNEN aufmerksam: „Umweltschutz in Leichter Sprache“ [Webseite]

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