Ist die Botschaft klar?

Politische Texte kommen besser rüber, wenn sie verständlich sind!

Demokratie neu denken – von unten aus stärken – mit allen gestalten. Das streben viele Bewegungen, Parteien und Verbände an. Allerdings ist es nicht leicht, diese politischen Anliegen auch verständlich und ansprechend zu vermitteln. Auf Plakaten und Spruchbändern kommen sie meist gut rüber: schnell erfassbar und einprägsam. Doch wie verständlich sind längere Aufrufe, Programme oder Informationen über Gremien und Stimmrecht? 

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Wir haben Texte von fünf Organisationen*) jeweils zu den genannten Themen untersucht. Dafür nutzten wir ein Programm zur Textanalyse (TextLab). Es erfasst viele sprachliche Merkmale, z.B. Satzlängen, Schachtelsätze, Passivformen und abstrakte Wörter. Das Programm ermittelt einen Index, der die formale Verständlichkeit misst: von 0 (gering) bis 20 (hoch). Ab Wert 10 sind Texte im ‚grünen Bereich‘: sie gelten als verständlich.**)

Die untersuchten Texte der Organisationen liegen nur teilweise im ‚grünen Bereich‘: sie reichen von kaum verständlich (Index 0,6) bis gut verständlich (Index 18,1). Das ist eine breite Spanne – woran liegt das?

Offensichtlich unterscheiden sich die Texte je nach Thema:

  • Am verständlichsten sind allgemeine Aufrufe zum Mitmachen. Diese Texte sollen alle ansprechen und motivieren; sie berühren meist keine komplizierten Anliegen.
  • Weniger verständlich sind politische Programme. Sie haben anspruchsvolle Inhalte und sind zuweilen gedanklich überfrachtet.
  • Schwer zu verstehen sind manche Informationen über Gremien und Stimmrecht. Ein Grund hierfür ist offensichtlich, dass die Texte juristisch korrekt sein sollen – mit allen erforderlichen Begriffen und Wendungen.

Dieser Vergleich zeigt, wie inhaltliche Aspekte die Verständlichkeit beeinflussen. Je komplizierter der Inhalt ist, um so eher türmen sich sprachliche Hürden auf. Aber auch der Hang zu Amtsdeutsch und Fachjargon erschwert das Lesen. Hier sind die häufigsten Hürden in den untersuchten Texten:

Abstrakte Substantive, Fach- und Fremdwörter: Substantive, die auf -heit, -keit, -ung, -ismus und -ion enden, sind meist abstrakt und machen den Text hölzern. Fach- und Fremdwörter erfordern spezielles Wissen und sind daher für viele unverständlich, z.B. diskreditieren, künstlerische Intervention, Status quo, Subsidiaritätsprinzip, usurpieren, Zustimmungsquoren.

Bandwurm- und Schachtelsätze: Ein Viertel aller Sätze in den getesteten Texten sind über 20 Wörter lang. Oft  haben sie mehrere Satzteile, mitunter sind Haupt- und Nebensätze verschachtelt. Nur mit Mühe kann man den Sinn mancher Satz-Ungetüme erschließen.

Sätze im Passiv und im Nominalstil: Die Passivform wirkt unpersönlich; sie lässt den Akteur einer Handlung im Dunkeln oder erwähnt ihn nur nebenher, z.B. „Ein Ausnahmefall muss von der betreffenden Person bei den Mitgliedern beantragt werden.“ Übermäßig viele Substantive (Nomen) machen den Satz schwerfällig, z.B. „Zuvor ist dem betroffenen Mitglied innerhalb einer Frist von vier Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.“ Auch Substantive in Verbindung mit schwachen Verben sind umständlich, z.B. zum Abschluss bringen (statt abschließen).

So weit die Analyse***). Uns geht es aber darum, den Text verständlicher zu machen. Greifen wir als Beispiel einen verschachtelten Satz heraus. Ein Team hat ihn schrittweise überarbeitet:

  1. Ursprünglich liest sich der Satz mühsam:
    [Unterbeschäftigung] ist die Auswirkung viel zu niedriger Investitionen, des Versäumnisses, bezahlte Arbeit zu schaffen, welche Europa zur Befriedigung wirtschaftlicher, sozialer und menschlicher Bedürfnisse braucht, sowie der wirtschaftlichen Stagnation Europas, die die ökonomische Aktivität nur auf wenige Regionen konzentriert und dabei den Rest aussaugt.“ 
  2. Nach der inhaltlichen Überarbeitung ist der Sinn schon klarer:
    Die Arbeitslosigkeit ist die Auswirkung von: a) viel zu wenig Investitionen, b) den Versäumnissen, bezahlte Arbeit zu schaffen, welche Europa zur Befriedigung wirtschaftlicher, sozialer und menschlicher Bedürfnisse braucht, sowie c) der wirtschaftlichen Stagnation Europas. Ergebnis ist die Konzentration der ökonomischen Aktivität auf nur wenige Regionen, während der Rest ausgetrocknet wird.“ 
  3. Durch die sprachliche Überarbeitung wird der Satz schließlich gut lesbar:
    Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit haben mehrere Ursachen: In die Wirtschaft wird zu wenig investiert. Außerdem müssen Arbeitsplätze geschaffen werden, um die wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Bedürfnisse in Europa zu befriedigen. Und schließlich stagniert die Wirtschaft in Europa. Infolgedessen konzentrieren sich die wirtschaftlichen Aktivitäten auf nur wenige Regionen, während der Rest austrocknet.“ 

Unser Beispiel zeigt: Wenn wir einen schwer erschließbaren Text verständlicher machen wollen, fangen wir am besten mit dem Inhalt an! Wollen wir die Sprache verbessern, sind vor allem drei Dinge zu beherzigen:

Einfache Wörter: Ersetze abstrakte Substantive durch Verben oder verwende einfache Wörter. Nutze Fach- und Fremdwörter nur, wenn sie bekannt genug sind, oder erkläre sie.

Kurze Sätze: Vereinfache lange Sätze oder ersetze sie durch mehrere kurze Sätze. Verarbeite möglichst nur einen Gedanken pro Satz.

Aktive Aussagen: Wähle aktive Verbformen und sprich, wenn möglich, den Leser direkt an.

Texte auf Webseiten sollten besonders gut lesbar und leicht verständlich sein. Das Analyseprogramm empfiehlt dafür einen Indexwert von 16. Dieses Ziel ist gewiss nicht bei allen Texten zu erreichen, doch jeder Schritt in diese Richtung lohnt sich!

Sabine Manning

Anmerkungen:

*) Webtexte von Attac, Demokratie in Bewegung, DiEM25, Junge Europäische Föderalisten, mehr Demokratie e.V.

**) Die Texte für diesen Beitrag wurden bei einem Test der Software TextLab (entwickelt von Communication Lab und der Universität Hohenheim) analysiert. Die Software ermittelt den Hohenheimer Verständlichkeitsindex (HIX).

***) Aufschlussreich sind auch die Analysen der Universität Hohenheim zu Wahlprogrammen größerer Parteien (Wahlprogramm-Check ).

5 Gedanken zu “Ist die Botschaft klar?

  1. Ich finde die Idee problematisch. Wenn man was einfacher macht, ändert man auch den Sinn. Es ist auch ein falscher Anspruch, dass alles was man liest, leicht verständlich sein soll. Ich liebe politische Texte aus den zwanziger Jahren, weil da wirklich in ganzen Sätzen geschrieben wird. Das ist unglaublich packend. Man vergleiche einen weichgespülten und seelenfreien SPD-Text von heute, wo man hinter jeden Satz einen Haken setzen kann, mit einem Text von einen sozialdemokratischen Intellektuellen wie Eduard Bernstein.

    In eurer beispielhaften Überarbeitung habt ihr die Logik geändert.

    1) „In der Wirtschaft wird zu wenig investiert.“ ist viel enger als zu geringe Investitionen. Ihr macht eine Annahme, wohin investiert werden soll und wer investieren soll, während der Ursprungstext rein makroökonomisch in der Aussage war: die Investitionsquote ist zu niedrig.
    2) Der Text wird abstrakter durch ein „normatives Off“ wie man das aus sozialdemokratischen Parteiprogrammen kennt. „Es muss was geschehen“. Diese Normativität war nicht im Ursprungstext in dieser platten Form vorhanden. Schlussfolgerungen wie von „Der Meeresspiegel ist zu hoch“ hin zu „Der Meeresspiegel muss gesenkt werden“ sind luzid. Es geht hier einfach nur um Kausalbeziehungen, die ein Phänomen erklären.
    3) „des Versäumnisses, bezahlte Arbeit zu schaffen“ und „es müssen mehr Arbeitsplätze geschaffen werden“ sind überhaupt nicht identisch. Die zweite Aussage ist zukunftsgerichtet, die ursprüngliche beschreibt eine vergangene Entwicklung. Bezahlte Arbeit ist eine abstrakte makroönomische Größe, Arbeitsplätze dagegen eine nur eine damit verbundene Quantität. Wo und wie man im Kausalgeflecht intervenieren soll, steht nicht im Ursprungstext. Es ist aber vermutlich Kohäsionspolitik gemeint.

    Denn eine Unterbeschäftigung ist nichts anders als das Fehlen von bezahlter Arbeit zur Befriedigung von Bedürfnissen. Hier ist der Usprungstext tautologisch.

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    • Hallo André – danke für Deinen interessanten Kommentar!
      In unserer Untersuchung geht’s darum, Texte verständlicher zu machen. Wir wollen sie weder vereinfachen noch den Sinn ändern.
      Verständliche Aufrufe und Programme sollen möglichst viele Menschen erreichen. Natürlich sind damit tiefer schürfende Texte für anspruchsvolle Interessenten nicht passé!
      Deine Anmerkungen zu den drei Textvarianten gebe ich gern an das Bearbeiterteam weiter. Ganz klar: was man sprachlich verbessern will, muss inhaltlich durchdacht werden!

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  2. Sehr interessantes Input. Ich sollte mal Texte aus der Schweiz testen. 😎 Und ich freue mich auf ein Tool, das in französisch funktioniert.

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    • Hallo France, vielen Dank für Deine interessanten Eindrücke aus der Schweiz!
      Der Verein Einfache Sprache Schweiz ist ja schon sehr engagiert…
      Das Tool TextLab wird übrigens auch für Englisch entwickelt.
      Vielleicht entdeckst Du noch etwas Ähnliches für Französisch 😉

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