KI-Tools für Einfache Sprache: Ein Fazit von 12 Sprachprofis

Vorwort

Das Infoportal Einfache Sprache hat Sprachprofis eingeladen, ihre Gedanken zu KI-Tools auszutauschen. Die Profis aus Deutschland, Österreich und der Schweiz trafen sich sieben Mal per Zoom zwischen Dezember 2023 und Juni 2024.

Zu den beteiligten Sprachprofis gehören: Gabriela Bonin, Cornelia Kabus, Sabine Manning, Bettina Mikhail, Lisa Rigendinger, Uwe Roth, Inga Schiffler, Karin Schütt, Maria Seisenbacher, Anja Teufel, Enrico von Walterskirchen und Georg Wimmer.

Die Profis haben auf den Treffen drei Themen diskutiert:

  • Mensch und KI
  • Nutzen von KI-Tools
  • Leistung einzelner KI-Tools

Die Ergebnisse der gemeinsamen Zoom-Treffen hat Sabine Manning aufgezeichnet, assistiert vom Sprachmodell ChatGPT-4o.

Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Gedankenaustausch. Sie sind zugleich ein Fazit unserer Test-Reihe zu KI-Tools für Einfache Sprache. Wir möchten mit den Fragen und Antworten zum Weiterdenken und Experimentieren anregen!

A: Mensch und KI

  1. Welche Fähigkeiten von Menschen kann KI nicht ersetzen?
    • Menschen wissen, was wirklich wichtig ist, wo die Kernbotschaft liegt und was die Kunden wünschen. Diese tiefe Kenntnis der Zielgruppe und die Fähigkeit zur inhaltlichen Bewertung und Anpassung kann KI nicht ersetzen.
  2. Wie wird sich die Arbeit von Sprachprofis verändern, wenn KI-Programme weiterentwickelt werden?
    • Die KI muss noch sehr viel lernen, und Sprachprofis müssen auch viel lernen, mit ihr umzugehen – im Sinne einer gemeinsamen Lernerfahrung.
    • KI-Programme könnten so weit entwickelt werden, dass einfache Befehle ausreichen, um komplexe Prozesse zu steuern. Sprachprofis befürchten, dass dies ihre Aufträge reduzieren könnte, da die KI-Programme immer besser werden.
  3. Besteht die Gefahr, dass wir uns zu sehr auf KI-Programme verlassen?
    • Ja, es besteht die Gefahr, dass die Qualität nicht mehr hinterfragt wird und Menschen sich den Maschinen angleichen, wodurch die Qualitätsstandards sinken könnten.
  4. Warum ist menschliche Expertise trotz fortschrittlicher KI notwendig?
    • Menschliche Expertise ist notwendig, um aus KI-Vorschlägen brauchbare Produkte zu machen. Zu dieser Expertise gehören Weltwissen und Fachwissen, Hintergrundwissen über Zielgruppen, aber auch Empathie. Gute Texte sind nicht auf Knopfdruck zu haben. Sie erfordern menschliche Vor-, Mit- und Nacharbeit.

Fazit:

Die Teilnehmer sind sich einig, dass menschliche Expertise in der Textbearbeitung unerlässlich bleibt. KI kann unterstützend wirken, aber die Fähigkeit des Menschen, die Zielgruppe zu verstehen und qualitative Inhalte zu liefern, ist unersetzlich. Es besteht die Sorge, dass eine zu starke Abhängigkeit von KI die Qualität langfristig beeinträchtigen könnte.

B: Nutzen von KI-Tools

  1. Wie können KI-Tools im Arbeitsprozess eingesetzt werden?
    • KI-Tools können als Einstieg, zur Anregung bei komplexen Sätzen oder für bestimmte Begriffe genutzt werden, um sie besser zu verstehen. Sie können auch bei der Übersetzung von Textteilen mit überschaubarem Verlauf helfen und Aufgaben schneller und effizienter erledigen.
  2. Wie kann man beeinflussen, welche Inhalte ein KI-Tool hervorhebt oder weglässt?
    • Bei großen Sprachmodellen kann man der KI erklären, welchen Kontext oder welches Anliegen ein Text hat und welche Zielgruppe man erreichen will. Man kann auch angeben, ob die KI einen Text ausführlich oder zusammenfassend übertragen soll.
  3. Wie kann das KI-Tool den Schreibprozess unterstützen?
    • Man kann Sprachmodellen wie ChatGPT-4 detaillierte Anweisungen geben, z.B. den Text zu gliedern, einzelne Aspekte aufzuzählen, relevante Aussagen hervorzuheben, Zwischenüberschriften zu setzen. Die KI kann viel mehr, als wir bisher von ihr abrufen.
  4. Welche Risiken bestehen, wenn Laien KI-Tools für Einfache Sprache nutzen?
    • Es besteht die Gefahr, dass die Texte nicht mehr hinterfragt werden und die professionelle Unterstützung nicht mehr nachgefragt wird. KI-Tools könnten dann unkritisch als Ersatz für menschliche Fachkenntnisse genutzt werden.
    • Ein großes Risiko von KI ist, dass sie Vorurteile reproduziert (Rassismus, Sexismus etc.) und dass sie mitunter Inhalte erfindet oder verdrehen und halluziniert.
  5. Was ist für die Qualität von KI-Tools wichtig?
    • Für die Qualität von KI-Tools sind sowohl die Praktikabilität der Funktionen als auch die Qualität der erzeugten Texte entscheidend. Eine neutrale Beratung und intensive Schulung für die Anwender sind ebenfalls wichtig.
  6. Wie sollten Behörden und Ämter den Einsatz von KI-Tools abwägen?
    • Behörden und Ämter sollten abwägen, wann eine KI-Übersetzung sinnvoll ist und wann ein Übersetzungsbüro ratsam wäre, um die bestmögliche Qualität zu gewährleisten.
    • Behörden könnten zusätzlich prüfen, ob Sie ihre Mitarbeiter von Profis sensibilisieren und schulen lassen wollen und dann in Kombination dazu auch selbständig Tools einsetzen.

Fazit:

Die Teilnehmer erkennen den Nutzen von KI-Tools, insbesondere als Unterstützung im Arbeitsprozess. Allerdings gibt es Bedenken hinsichtlich der Qualität und der Gefahr, dass Laien die Tools unkritisch nutzen könnten. Intensive Schulung und neutrale Beratung werden als notwendig erachtet, um die Qualität der Texte sicherzustellen.

C: Leistung einzelner KI-Tools

# Große Sprachmodelle

  1. Welche kostenlosen Sprachmodelle eignen sich zum Experimentieren?
    • ChatGPT (GPT-3.5), Gemini (von Google) und Copilot (von Microsoft) sind geeignet, wobei Texte von Gemini und Copilot gut strukturiert, aber weniger verständlich und zuverlässig als Texte von ChatGPT sind. Alle drei Modelle haben keinen Datenschutz.
  2. Was sind die Vorteile von ChatGPT Pro (GPT-4)?
    • ChatGPT Pro ist leistungsfähiger und besser für Einfache Sprache geeignet, kostet allerdings 23 €/Monat und hat ebenfalls keinen Datenschutz. Eine Alternative mit Datenschutz ist die Plattform You.com, die 15 Dollar/Monat kostet.
    • Am vielseitigsten sind GPT-Bots (GPTs). Man kann sie auf ChatGPT Pro finden oder dort selber bauen (als KI-Laie, mithilfe eines KI-Assistenten). Es gibt bereits GPT-Bots für Einfache Sprache, z.B. Klar und verständlich (K&V).
  3. Wie könnten GPT-Bots breiter wirksam werden?
    • Es wäre wünschenswert, GPT-Bots kostenlos anzubieten, um eine große Reichweite zu erzielen und das Empowerment der Nutzer zu stärken, ähnlich wie Google Translate. (PS: GPT-Bots sind inzwischen auf der Plattform ChatGPT kostenlos nutzbar. Man kann sie aber weiterhin nur auf ChatGPT Pro bauen.)

Fazit

Große Sprachmodelle wie ChatGPT, Gemini und Copilot sind besonders vielseitig, haben jedoch keinen Datenschutz. Vor allem die kostenpflichtigen Versionen bieten hohe Leistungsfähigkeit. Eine kostenlose Verfügbarkeit von GPT-Bots (auch zum Bauen!) könnte die Reichweite und Nutzung von KI erheblich steigern.

# Wortliga und capito.ai

  1. Wie unterscheiden sich die KI-Tools von Wortliga und capito.ai?
    • Die Wortliga Textanalyse vereinfacht Texte freier und besser verständlich als capito.ai, bezieht aber nicht alle Inhalte ein. Capito.ai hingegen gibt beim Vereinfachen den Ausgangstext genauer wieder. Wortliga PLAIN, das KI-Tool für Einfache Sprache, bleibt nahe am Originalinhalt.
  2. Welche Niveaustufen bieten die Programme und wofür sind sie geeignet?
    • Die Programme bieten Niveaustufen basierend auf den GER-Stufen: A2 (dicht an der Leichten Sprache), B1 (mittlere Stufe der Einfachen Sprache) und B2 (nahe an der Fachsprache). Diese Stufen können als Anhaltspunkte für die Einstufung der Einfachen Sprache dienen.
  3. Welche Grenzen haben die KI-Übersetzungen der Programme?
    • Die KI kann komplexe Aussagen vereinfachen, bleibt aber oft abstrakt. Besondere Begriffe werden manchmal unzureichend umschrieben. Die KI stellt sich wenig auf die Bedürfnisse der Leser ein und hebt nicht die Kernbotschaft hervor.

Fazit:

Wortliga und capito.ai bieten nützliche Funktionen zur Textvereinfachung mit KI, haben jedoch unterschiedliche Stärken und Schwächen. Bei der Wortliga Textanalyse und bei capito.ai ist die KI in ein Gesamtprogramm der Textbearbeitung integriert. Viel hängt hier von der Expertise der Nutzer ab, in diesem Umfeld gute Texte zu erzeugen.

# TextLab

  1. Wie hat sich TextLab durch die Integration von KI verändert?
    • Textlab unterstützt seine sprachanalytische Kompetenz mit KI, bietet dabei hohen Datenschutz, reicht jedoch noch nicht an die Bestleistung anderer KI-Tools heran.
  2. Welche nützlichen Funktionen bietet TextLab?
    • TextLab bietet nützliche Funktionen zur Textanalyse, wie den Messwert für Verständlichkeit (HIX) und die Messung der Tonalität. Diese Funktionen eignen sich besonders als Argumentationshilfe gegenüber Kunden.
  3. Worauf ist TextLab besonders ausgerichtet?
    • TextLab ist deutlich auf die Corporate Language von Unternehmen ausgerichtet. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Tool mit der Eingliederung in die Across Systems GmbH weiterentwickelt.

Fazit:

TextLab entwickelt eine eigene KI, um seine Funktionen der Textanalyse und -bearbeitung zu unterstützen. Das Tool ist stark auf Unternehmenssprache ausgerichtet und zeigt Potenzial für zukünftige Entwicklungen.

# SUMM AI

  1. Wie arbeitet SUMM AI am besten mit Texten?
    • SUMM AI erzeugt Übersetzungen mit hoher Verständlichkeit und zuverlässigem Inhalt. Das Tool arbeitet besser, wenn Texte in Absätzen strukturiert sind. Ein sorgfältiges Pre-Editing und Post-Editing sind notwendig, um die besten Ergebnisse zu erzielen.
  2. Was bietet das persönliche Glossar von SUMM AI?
    • Das persönliche Glossar bietet die Kategorien Datum, Wort, Erklärung und Stichworte. Diese Kategorien sind jedoch nicht ausreichend für eine sinnvolle Nutzung.
  3. Wie hilfreich ist die Funktion Synonyme in SUMM AI?
    • Die Funktion Synonyme ist sehr hilfreich und basiert auf Open Thesaurus. Die einzelnen Synonyme sind teilweise mit ihren Sprachstufen gekennzeichnet.

Fazit:

SUMM AI bietet interessante Funktionen wie das persönliche Glossar und die Synonym-Suche, hat aber auch Schwächen in der Kategorisierung und Strukturierung von Texten. Das Tool ist eine große Experimentierbox und kein ausgereiftes Produkt.

Gesamtfazit

Die Sprachprofis erkennen den Nutzen und das Potenzial von KI-Tools für Einfache Sprache, betonen jedoch die Notwendigkeit menschlicher Expertise für qualitativ hochwertige Texte. Die verschiedenen Tools haben unterschiedliche Stärken und Schwächen, und es besteht Bedarf an intensiver Schulung und neutraler Beratung für Anwender. KI-Tools können unterstützen, aber sie ersetzen nicht die Fähigkeit des Menschen, Inhalte zu verstehen und zu kommunizieren.

Sabine Manning

PS: Für die anregende Mitarbeit an diesem Beitrag danke ich Gabriela Bonin, Cornela Kabus, Bettina Mikhail, Lisa Rigendinger, Uwe Roth, Inga Schiffler, Karin Schütt, Maria Seisenbacher, Anja Teufel, Enrico von Walterskirchen und Georg Wimmer.

Bild von VintageSnipsAndClips auf Pixabay

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