In einem berühmt gewordenen Essay beschreibt die amerikanische Autorin Sylvia Wright, wie ihre Mutter ihr als Kind oft ihre im 17. Jahrhundert spielende schottische Lieblingsballade „The Bonny Earl o’ Moray“ vorgelesen hatte, den ersten Vers mit folgendem Wortlaut:
Ye Highlands and ye Lowlands,
Oh, where hae ye been?
They hae slain the Earl o’ Moray
And laid him on the green.
Sylvia verstand die letzte Zeile jedoch ganz anders, nämlich als:
And Lady Mondegreen
Dabei hatte sich in ihrer kindlichen Vorstellung der Gedanke festgesetzt, dass der arme blutüberströmte Earl ja nicht allein, sondern – welch tröstlicher Gedanke – wohl zusammen mit seiner Lady Mondegreen auf dem grünen schottischen Rasen das Zeitliche gesegnet haben musste.
Und somit prägte sie im Rückgriff auf ihre Kindheitserinnerung dann später im Jahre 1954 mit ihrem Essay den Terminus Mondegreen, der Eingang in diverse Lexika fand. Er steht also für die innerhalb der Muttersprache falsch verstandenen Textteile, meist aus oft gehörten Gedichten, Balladen, Liedern oder Phrasen. Hierbei erschließen die Hörenden deren Sinn nicht und konstruieren sich deshalb durch phonetisch ähnliche andere Lexik einen neuen Sinn. Das Gehirn des Menschen, vor allem des jungen Menschen, kann ja gar nicht anders. Es braucht, sucht und konstruiert sich Sinn. Dass nun der Gesamtsinn des Sprachwerkes verändert wird, führt zu einer (meist lustigen) Verfremdung des Ganzen.
Dieses Phänomen kommt in allen Sprachen vor und ist mit vielen Beispielen in zahlreichen Sammlungen belegt. Siehe z.B.: „Scuse me while I kiss the sky“ *“Scuse me while I kiss this guy“ [http://www.kissthisguy.com]. Oder man denke an den Filmtitel über das Leben der Édith Piaf: „La vie en rose“ *“L‘avion rose“ (Das rosa Flugzeug). Die deutschen „Verhörer“ sind in zahlreichen Sammlungen nachzulesen, so z.B. in Axel Hackes *“Der weiße Neger Wumbaba“ (I – III), Piper, München / Zürich 2011, bezogen auf die letzte Zeile des Volksliedes „Der Mond ist aufgegangen“: „Der weiße Nebel, wunderbar.“ Aus Kirchenliedern kennen wir eine Vielzahl von Mondegreens, vermutlich aber auch absichtliche wie z.B.: Jesus, meine Zuversicht … *“Jesus, meine Kuh frisst nicht.“
Interessant ist in diesem Kontext nun auch die nahverwandte Kategorie der Hobson-Jobsons, wenn also Elemente aus einer Fremdsprache phonetisch in die eigene Sprache übertragen werden. So wurde aus dem spanischen cucaracha das englische cockroach (Küchenschabe) und aus dem englischen „Oh, my feelings grow“ (aus „Midnight Lady“ von Chris Norman) das deutsche *“Oma fiel ins Klo.“ Aus dem lateinischen „hoc est corpus“ (beim kirchlichen Abendmahl) wurde Hokuspokus. Und als man Napoleon im Münsterland dieses tiefschwarze Brot anbot, spie er es aus mit den Worten, „C’est bon pour Nickel!“ Nickel war sein Pferd, was zum Namen ‚Pumpernickel‘ führte.
Aus dem Englischunterricht an deutschen Schulen kennen wir ‚Übersetzungen‘ wie z.B. I’m afraid * Ich bin erfreut oder: important *impotent. Und eine breit gefächerte und nicht enden wollende Spekulation gibt es bekanntlich im Hinblick auf die Etymologie des in Spanisch sprechenden Ländern gängigen Begriffs GRINGO. Liegt der Ursprung in der Liedzeile „Green grow the rushes, O“ oder: „Green grows the grass in, Ho“ oder entstand dieser Name bei den von Amerikanern geleiteten Bauten von Eisenbahnlinien oder des Panama Kanals mit den Kommandos Red >Stop – Green>Go! ?
Gastbeitrag von Helmut Reisener